Wer war Rutherford B. Hayes?

Die umstrittenste Präsidentschaftswahl der amerikanischen Geschichte

Rutherford B. Hayes
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Dass Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten nicht immer geräuschlos und unumstritten über die Bühne gehen, hat sich in jüngster Zeit im Duell zwischen dem Amtsinhaber Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden einmal mehr gezeigt. Die Problematik dieser Wahlen hat in den USA eine lange Tradition und das komplizierte Procedere sorgt immer wieder für Verwirrung und zuweilen auch für Unverständnis. In der Geschichte Amerikas war die Wahl des Rutherford B. Hayes im Jahr 1877 ohne Beispiel, denn der 19. Präsident der USA wurde letztlich nicht vom amerikanischen Volk mit diesem hohen Amt betraut sondern durch das Votum einer vom Kongress eingesetzten Wahlkommission. Dieser einzigartige Vorgang ging als „Tilden-Hayes-Affäre“ in die Historie der Vereinigten Staaten ein. Rutherford B. Hayes, der Politiker aus Ohio, war amerikanischer Präsident vom 4. März 1877 bis zum 4. März 1881.

Steckbrief: Rutherford B. Hayes

  • Name: Rutherford B. Hayes
  • Geburtsdatum: 4. Oktober 1822
  • Geburtsort: Delaware, Ohio, Vereinigte Staaten
  • Ehepartnerin: Lucy Hayes (verh. 1852–1889)
  • Kinder: Rutherford P. Hayes, Birchard Austin Hayes, Joseph Thompson Hayes, Fanny Hayes, Webb Hayes, Scott Russell Hayes, George Crook Hayes, Manning Force Hayes
  • Eltern: Rutherford Hayes, Jr., Sophia Birchard
  • Geschwister: Sarah Sophia Hayes, Rutherford Hayes, Lorenzo Hayes, Fanny Arabella Hayes
  • Sternzeichen: Waage
  • Sterbedatum: 17. Januar 1893
  • Sterbeort: Fremont, Ohio, Vereinigte Staaten

Kindheit und Jugend

Der Vater starb vor der Geburt seines Sohnes Rutherford

Geburtshaus von Rutherford B. Hayes, by Beach & Bodurtha [Public domain]
Geburtshaus von Rutherford B. Hayes, by Beach & Bodurtha [Public domain]
Seinen Vater kannte Rutherford Birchard Hayes nur von vergilbten Fotos und dank der Erzählungen seiner Mutter Sophia, denn der starb bereits im Juli 1822 und damit vor der Geburt seines Sohnes an einer Fieber-Attacke. Die Familie stammte aus Vermont, bekannte sich zum Presbyterianismus und deren Vorfahren waren bereits im Jahr 1625 aus Schottland nach Connecticut ausgewandert. Gemeinsam mit seinem Schwager führte der Vater von Rutherford B. Hayes ein Geschäft für landwirtschaftliche Artikel in Dummerston und damit in einer Region, die über viele Jahre durch ständige Indianerüberfälle und durch den Krieg gegen Frankreich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Für die Familie Hayes folgte auch aus diesem Grunde ein Umzug nach Delaware im Bundesstaat Ohio. Trotz seiner presbyterianischen Grundsätze beteiligte sich Vater Hayes dort als Investor an einer Brennerei für alkoholische Getränke. Was mit dem Glauben dieser Religionsgemeinschaft nicht in Einklang zu bringen war.

Der Bankier Sardis Birchard wurde zu seinem Ersatzvater

Nach dem Tod ihres Mannes bezog Sophia ein Haus, das sich noch im Rohbau befand. Und da sie lediglich ein kleines Grundstück geerbt hatte, zog sich die Fertigstellung des Gebäudes noch sechs Jahre lang hin. Rutherford B. Hayes wuchs mit einer älteren Schwester auf – sein Bruder ertrank in jungen Jahren beim Schlittschuhlaufen, als auf einem Teich das dünne Eis brach. Im Haus der Familie Hayes wohnte auch noch eine Cousine seiner Mutter und deren Bruder, der Bankier Sardis Birchard. Der sollte im Leben von Rutherford eine wichtige Rolle spielen, weil er sich um die Ausbildung seines Neffen bemühte und ihn finanziell über viele Jahre unterstützte. Sardis Birchard ersetzte Rutherford Hayes den Vater. Die Familie Hayes hielt sich durch die Einnahmen aus der Pacht bewirtschafteter Felder einigermaßen über Wasser, doch es reichte nur zu sehr bescheidenen Lebensverhältnissen. Rutherford besuchte eine Schule in Delaware, litt aber ständig unter verschiedenen Krankheiten. Er fühlte sich im Kreis seiner Familie aber stets behütet.

Ausbildung und Studium

Ein ehrgeiziger Schüler und der Wechsel zum College nach Gambier

Die Lust am Leben wurde bei Rutherford Hayes geweckt, als ihn seine Mutter im Jahr 1834 mitnahm auf eine Reise nach Vermont und Massachusetts, um Verwandten einen Besuch abzustatten. Dieser Ausflug des Zwölfjährigen war der Startpunkt zu einer lebenslangen Reiselust des späteren amerikanischen Präsidenten. Einige Zeit danach besuchte Hayes Junior, dem seine Mutter das Lesen und Schreiben beigebracht hatte, eine methodistische Schule in Norwalk, um dann auf die Isaac Webb School in Middletown/Connecticut zu wechseln. Obwohl ihn sein dortiger Schuldirektor für zu jung und zu schwächlich hielt, um schon bald ein College zu besuchen, setzte sich Hayes mit seiner Familie durch. Als ehrgeiziger Schüler war er vom Jahr 1838 an ein Mitglied des Kenyon College in Gambier, einem kleinen Dorf in Ohio, das nach einem Wohltäter der Gemeinde benannt wurde. Dort schloss Rutherford Hayes Freundschaften. Unter anderem mit Guy M. Bryan, der bereits in jungen Jahren am texanischen Unabhängigkeitskrieg teilnahm und später für Texas im amerikanischen Repräsentantenhaus einen Sitz erhielt.

College-Abschluss mit der Auszeichnung des „Valedictorian“

Rutherford Hayes begann während seiner Zeit im College von Gambier, sein Tagebuch mit Notizen zu füllen. Das setzte er bis zu seinem Lebensende fort. Außerdem beschäftigte er sich mit Theateraufführungen und bezog aus dieser Erfahrung die Gabe der freien Rede. In seinem Abschlussjahrgang wurde er mit der Abschiedsrede betraut. Dieses sogenannte „Valedictorian“ versteht man noch heute in einigen Staaten als einen Erfolgstitel und als eine Auszeichnung für Schüler mit einem hohen Noten-Durchschnitt. Danach entschied sich Hayes für eine juristische Ausbildung, bezeichnete aber später den Aufenthalt in der Kanzlei von Sparrow & Matthews in Columbus als die „ärgerlichsten und langweiligsten Monate“ seines jungen Lebens. Immerhin fand er Zeit, um sich neben dem Studium der juristischen Literatur ein paar Brocken der deutschen Sprache anzueignen. Seine Ausbildung setzte Hayes in der berühmten Harvard Law School in Cambridge/Massachusetts fort. Dort erwarb er einen Bachelor und trat 1845 in die Anwaltskammer von Ohio ein, um in der Praxis seines Ziehvaters Sardis Birchard zu arbeiten.

Anwaltstätigkeit und Ehe

Intellektuelle Gespräche und Austern im Cincinnati Literary Club

Obwohl es zunächst in der Kanzlei an Mandaten mangelte, ließ sich Hayes nicht entmutigen. Insbesondere im Strafrecht machte er sich einen Namen. Sein offenbar angeborener Charme und seine Ausbildung in der Elite-Universität Harvard beeindruckten bei Gerichtsverhandlungen. Häufig verteidigte er die Ausgestoßenen der Gesellschaft. Heiligabend 1849 entschloss er sich zu einem Umzug nach Cincinnati, wo er sich auch für die Gesellschaft dieser Stadt öffnete und unter anderem dem Internationalen Orden der Odd Fellows beitrat. In dieser unparteilichen, humanitären und philanthropischen Gemeinschaft fühlte er sich wohl. Er genoss seine Anerkennung und beteiligte sich an intellektuell anregenden Gesprächen im Cincinnati Literary Club, wo die Gastgeber traditionell Austern servierten und den lokalen Catawba-Wein kredenzten. Hayes verstand sich in diesen Jahren als „gemäßigter Reformer“.

Lucy Ware Webb ging als „Limonade Lucy“ in die Geschichte ein

Rutherford B. Hayes mit seiner Ehefrau Lucy Hayes, by Reproduction of daguerreotype [Public domain]
Rutherford B. Hayes mit seiner Ehefrau Lucy Hayes, by Reproduction of daguerreotype [Public domain]
Zu einem Mädchen aus seiner Heimatstadt Delaware fühlte sich Rutherford Hayes auch nach seinem Umzug nach Cincinnati hingezogen. Er war Lucy Ware Webb einige Jahre vorher bei einem Jugendtreffen begegnet. Damals war sie 16 Jahre alt und im Wesleyan Female College in Cincinnati ausgebildet worden. Auch Lucy wuchs, wie Rutherford, als Waisenkind auf, denn ihr Vater, ein Mediziner aus Kentucky, verstarb bei einer Cholera-Epidemie. Ihre Mutter hatte sie im Geiste des puritanischen Glaubens erzogen. Dazu zählte auch die Ablehnung jeglichen Alkoholgenusses. Als Lucy viele Jahre später an der Seite des amerikanischen Präsidenten die „First Lady“ war, untersagte sie den Ausschank von Alkohol im Weißen Haus. Sie ging als „Limonade Lucy“ in die Geschichte des Landes ein. Als Rutherford Hayes im Juni 1851 um ihre Hand anhielt, soll sie geantwortet haben: „Ich glaube, ich träume, denn ich dachte, ich wäre zu unbedeutend für dich…“ Die Hochzeit fand am vorletzten Tag des Jahres 1852 im Haus der Braut in Delaware statt. Aus dieser Verbindung gingen sieben Jungen und ein Mädchen hervor. Von ihnen erreichten allerdings nur vier Kinder das Erwachsenenalter.

Zwei Mördern blieb dank ihres Anwalts der Galgen erspart

Größere Aufmerksamkeit als Anwalt erreichte Rutherford Hayes, weil er Mördern in zwei Gerichtsverfahren zur Seite stand. In einem Fall erreichte er vor dem Supreme Court in Ohio, dass die Todesstrafe für eine psychisch labile junge Frau in die Einweisung in eine Nervenklinik umgewandelt wurde. In einem weiteren Fall überzeugte er die Geschworenen, dass sie kein einstimmiges Urteil fällten. Dem Angeklagten blieb dann der Galgen erspart, weil nach dem Urteil eine lebenslange Freiheitsstrafe folgte. Im Dezember 1853 war er dann bereit, als Partner in die Kanzlei des Anwalts Richard M. Corwine einzutreten. Schon bald reifte bei dem nunmehr Einundreißigjährigen der Entschluss, sich neben dem Beruf auch politisch zu betätigen. Er war seit jeher ein überzeugter Sympathisant der Whig Party, engagierte sich bei diversen Präsidentschaftswahlen und wurde Mitglied im Ortskomitee der Whigs in Fremont.

Verteidigung von Sklaven und der Fall der Rosetta Armstead

In diesen Jahren nahm die strittige Sklavenfrage einen breiten Raum in den politischen Diskussionen der Vereinigten Staaten ein. Unter „Abolitionismus“ verstand man die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei. Sie speiste sich aus christlichen Überzeugungen und schwappte aus Großbritannien hinüber nach Amerika. Hayes Mutter war längst eine energische Gegnerin der Sklaverei und hatte die dunkelhäutigen Arbeiter ihrer Familie befreit. Nach längerem Überlegen und wohl auch Diskussionen mit seiner Frau, die die Sklaverei ebenfalls ablehnte, übernahm er die Verteidigung von Sklaven aus Kentucky, die über den Ohio River geflohen waren. Zu ihnen gehörte ein junges Mädchen namens Rosetta Armstead. Sie war von Aktivisten in Ohio festgenommen worden, als sie sich an der Seite ihres Besitzers auf dem Weg nach Virginia befand. Dieser Fall ging in die Geschichte der Sklaverei ein und endete schließlich – nicht zuletzt dank der Argumentation ihres Anwalts Hayes – mit einem Freispruch.

Politischer Aufstieg

Der Tod seiner geliebten Schwester Fanny war ein großer Schock

Die Whig-Partei, der sich Rutherford Hayes verbunden fühlte, gab es nach der Verabschiedung des Kansas-Nebraska-Gesetzes ab 1854 nicht mehr. Sie hatte sich aufgelöst, und unter der Führung des späteren amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln entstand die Republikanische Partei. Zwischen Gegnern und Anhängern der Sklaverei entwickelten sich blutige Zusammenstöße – sie waren die Vorboten des Amerikanischen Bürgerkriegs. Hayes engagierte sich in dieser Zeit für die Grundrechte und für die Familie und befasste sich kaum noch mit politischen Dingen. Im März 1856 hatte seine Schwester Fanny eine Geburt nicht überlebt. In einem Nachruf nannte er sie „die liebste Freundin meiner Kindheit“ und „die Vertraute meines ganzen Lebens“. Als er sich von dem Schock erholt hatte, flammte sein vorübergehend versiegtes Interesse an der Politik wieder auf. Er unterstützte die Präsidentschafts-Kandidatur des Republikaners John Charles Fremont.

Veraltete Steinschloss-Musketen und die Meuterei der Soldaten

Rutherford B. Hayes als Major, by Unknown artist [Public domain]
Rutherford B. Hayes als Major, by Unknown artist [Public domain]
Aus seinen Tagebucheinträgen ging hervor, dass Hayes vor einem Kompromiss mit den Südstaaten eine größere Angst hatte als vor dem sich abzeichnenden Bürgerkrieg zwischen dem Norden Amerikas und den Bundesstaaten, die sich zur Sklavenhaltung bekannten. Er vertrat die Auffassung, dass Amerika nur dann als Nation in der Welt anerkannt werde, wenn das Land aus freien Bundesstaaten bestehe. Nach dem historischen Angriff auf Fort Sumter durch die Konföderierten im April 1861 forderte er in einer Resolution, durch einen Sezessionskrieg die Einheit der Nation zu erzwingen. Wenig später meldete sich Hayes freiwillig zum Einsatz in einem Regiment des Unionsheeres. Dort war es zunächst seine Aufgabe, Soldaten auszubilden. Danach wurde er zum Major des 23. Ohio-Infanterie-Regiments ernannt. Als sein Kommandeur Eliakim P. Scammon bei der Waffenausgabe von seinen Soldaten verlangte, mit alten Steinschloss-Musketen zu kämpfen, kam es zu einer Meuterei. Die wurde bereinigt, weil Hayes vermittelte und gleichzeitig bei Finanzminister Chase eine bessere Ausrüstung beantragte.

„Der sonst so sanfte Gentleman gebärdet sich intensiv und wild“

Während eines kurzen Heimaturlaubs beruhigte Hayes seine Frau Lucy mit den Worten: „Du brauchst um mich keine Angst zu haben. Ich kenne meine Fähigkeiten.“ Das war allerdings maßlos überzogen, denn in Wirklichkeit verfügte Rutherford Hayes über keinerlei militärische Kenntnisse. Doch einer seiner Weggefährten, der spätere amerikanische Präsident William McKinley, beschrieb Hayes so: „Der sonst so sanfte Gentleman gebärdet sich im Kampf intensiv und wild…“ Bei der Schlacht von South Mountain im Jahr 1962 leitete Hayes den Angriff auf die Position der Konföderierten. Bei einem dieser Aktionen wurde er verwundet und überlebte nur dank der Fähigkeiten seines Schwagers Dr. Joseph Webb, dem er einen Job als Sanitätsarzt vermittelt hatte. Hayes wurde nach seiner Genesung zum Oberst befördert, leitete einige Razzien auf Eisenbahnstrecken und Versorgungsdepots in Virginia und wurde schließlich am Cedar Creek erneut verwundet. Seiner Frau Lucy wurde bereits der Tod ihres Mannes übermittelt, doch am 8. Juni 1865 stand er als soeben zum Generalmajor und ausgemusterter Soldat vor der Tür seines Hauses.

Historische Ereignisse während des Amtsantritts im Kongress

Seine republikanischen Freunde nominierten Rutherford Hayes im Juli 1865 für einen Sitz im amerikanischen Kongress. Der Beginn seiner Amtszeit fiel zusammen mit einigen historischen Ereignissen. Der Bürgerkrieg war nach der Kapitulation des Generals Robert E. Lee zu Ende, und kurz darauf wurde der amtierende Präsident Abraham Lincoln bei einem Theaterbesuch ermordet. Während seiner Zeit im Kongress nahm er an zahlreichen Sitzungen teil und vermisste vor allem seine Familie, die er natürlich auch im Bürgerkrieg nur selten gesehen hatte. 1866 wurde er erneut gewählt, trat jedoch ein Jahr später zurück. Auch deshalb, um für den Posten des Gouverneurs von Ohio zu kandidieren. Er wurde gewählt, weil etliche seiner Landsleute ihn in seinem Vorhaben unterstützten, den befreiten Afroamerikanern Stimmrechte einzuräumen. In seinem neuen Amt setzte er die Ratifizierung des 15. Verfassungszusatzes durch, mit der die Rassenzugehörigkeit als Berechtigung bei Wahlen gestrichen wurde.

Die Hinterlassenschaften seines Ziehvaters Sardis Birchard

Mit seiner Wahl zum Gouverneur des Bundesstaates Ohio wähnte sich Rutherford Hayes am Ziel aller politischen Träume. Er genoss seine Amtszeit, die Nähe zu seiner Familie und diente von 1868 bis 1872. Außerdem unterstützte er Ulysses S. Grant, den einstigen Oberbefehlshaber des amerikanischen Heeres im Sezessionskrieg, bei dessen Bemühen um eine zweite Präsidentschaft. Hayes zog sich dann einmal mehr aus der Politik zurück und reiste nach Fremont, in den Osten Nebraskas, um dort seinem Ersatz-Vater und Onkel Sardis Birchard beizustehen. Der hatte inzwischen seiner Stadt das historische Gelände am Fort Stephenson als Schenkung überlassen und war nun gesundheitlich angeschlagen. Vor seinem Tod am 21. Januar 1874 ernannte er seinen Neffen Rutherford Hayes zu einem der Treuhändler diverser Immobilien und einer Bibliothek, die noch heute seinen Namen trägt. Außerdem übertrug er Hayes in der Erbschaft sein gesamtes Vermögen. Hayes wählte nach dem Ableben seines Ziehvaters dessen Haus zu seinem Wohnsitz. Er nannte das Anwesen so, wie es einst durch Birchard getauft wurde: Spiegel Grove. Der Historie dieser Residenz zufolge erhielt das Haus den Namen wegen der reflektierenden Wasserbecken auf dem Grundstück.

Eine zweite Amtszeit als Gouverneur und Kandidat der Republikaner

Hayes trat zur Überraschung seiner Weggefährten am 10. Januar 1976 noch einmal das Amt des Gouverneurs von Ohio an. Dabei machte er sich für den Bau eines Waisenhauses für die Kinder früherer Soldaten stark und für eine staatliche Einflussnahme des Eisenbahnwesens. Weil er eine Abneigung gegen Banknoten hatte, vertraute er allein dem Wert von Hartgeld. Und weil er in der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend politisch unbelastet war, brachten ihn die Delegierten der Republikanischen Partei als Kandidaten einer Präsidentschaft ins Gespräch. Hayes versprach sich nur geringe Chancen, denn die Konkurrenz erschien ihm übermächtig. Dann wurde er aber durch den Konvent seiner Partei im Juni 1876 im siebten Wahlgang nominiert. Als die Wähler Amerikas dann zu den Urnen gerufen wurden, erhielt sein Gegenkandidat Samuel J. Tilden aus New York die meisten Stimmen.

Präsidentschaft (1877-1881)

Alle Abgeordneten der Republikaner stimmten für Hayes

Der Wahlausgang erschien eindeutig, denn nach der Auszählung der Zettel hatten 4.300.000 Amerikaner für Tilden gestimmt und lediglich 4.036.000 für Hayes. Doch es gab da offenbar Ungereimtheiten bei dem Ausgang der Wahlen in den Bundesstaaten Louisiana, South Carolina und Florida. Der amerikanische Kongress setzte eine Kommission zur Klärung der Sachlage ein und sah sich nicht in der Lage, Tilden zum neuen Präsidenten zu küren. Es sollten einige Monate ins Land gehen, ehe die Wahlkommission eine Entscheidung fällte. Sie bestand aus acht Vertretern der Republikaner und sieben Mitgliedern der Demokraten. Alle Republikaner bekannten sich in der Abstimmung zu Hayes, der am 3. März 1877 als 19. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wurde. Bis heute gilt diese Wahl als die umstrittenste in der Geschichte des Landes. Die Vereidigung fand im Übrigen durch den Obersten Richter Morrison R. Waite unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weil man Störungen durch die Demokraten befürchtete. Zwei Tage später legte Hayes auch öffentlich und damit zum zweiten Mal den Eid auf die Verfassung und auf die Bibel ab.

Das gegebene Versprechen und das Ende der militärischen Besetzung

Porträt von Rutherford B. Hayes im Weißen Haus, by Daniel Huntington [Public domain]
Porträt von Rutherford B. Hayes im Weißen Haus, by Daniel Huntington [Public domain]
Während seiner Amtszeit rückte Rutherford Hayes die seit Jahren herrschende Korruption in den Fokus seines politischen Handelns. Bei seinen Entscheidungen schonte er auch seine republikanischen Parteifreunde nicht, obwohl die sich in ihrer Hausmacht bedroht fühlten. Außerdem hielt der neue Präsident sein im Wahlkampf gegebenes Versprechen und beendete die militärische Besetzung der Südstaaten. Auch, um die Region jenseits der Mason-Dixon-Linie wirtschaftlich zu stützen. Zwar konnten die weißen Siedler ihre nach dem Bürgerkrieg gestoppten einstigen Machtpositionen wieder einnehmen, mussten jedoch auf die Arbeit von Sklaven verzichten. Der Grundsatz, dem sich im Süden alle verpflichten mussten, lautete nun „Separate, but equal“. Also: „Getrennt, aber gleich“. Als es im Sommer 1877 zu Streiks unter den Eisenbahnern kam und zu blutigen Auseinandersetzungen in Pittsburgh, schickte Hayes das Militär nach Maryland, West Virginia, Illinois und Pennsylvania.

Die „First Lady“ führte das „Ostereierkullern“ am Weißen Haus ein

Drei Ereignisse sind historisch während der Amtszeit überliefert. Rutherford Hayes beendete einen Grenzstreit zwischen Argentinien und Paraguay, bereiste als erstes Staatsoberhaupt in offizieller Mission die Westküste Amerikas und benutzte als erster Präsident der Vereinigten Staaten ein Telefon. Und nebenbei unterzeichnete Hayes ein Gesetz, das es Anwältinnen erlaubte, vor dem Obersten Gerichtshof zu praktizieren. Seine Frau war trotz ihrer Abneigung gegenüber allen alkoholischen Getränken in Amerika überaus beliebt. Sie wurde „Mutter Lucy“ genannt, und die einstigen Soldaten der 23. Ohio Volunteer Infantry erinnerten sich daran, dass die „First Lady“ während des Bürgerkriegs Verwundete gepflegt und Sterbende getröstet hatte. Nebenbei führte die Präsidenten-Gattin im Garten des Weißen Hauses das traditionelle „Ostereierkullern“ ein, das noch immer praktiziert wird. Gemeinsam mit ihrem Mann feierte sie 1877 im Weißen Haus die Silberne Hochzeit.

Lebensabend und Ehrungen

Abschied vom Amt des Präsidenten nach einer Wahlperiode

Schon bei seinem Amtsantritt hatte Rutherford Hayes angekündigt, nur für eine Wahlperiode zur Verfügung zu stehen. Als sein Nachfolger James A. Garfield den Amtseid ablegte, zog er sich auf seinen Landsitz in Fremont zurück, widmete sich dem literarischen Studium und engagierte sich für verschiedene Bildungsprojekte. Er starb am 17.Januar 1893 an den Folgen eines Herzinfarkts. Im Rückblick auf seine Präsidentschaft würdigten die Amerikaner die Leistungen dieses Mannes bei der Reduzierung der Kluft zwischen den Nord- und den Südstaaten und um die wirtschaftliche Konsolidierung des Landes. In Fremont entstand das Rutherford B. Hayes Presidential Center mit einer umfangreichen Bibliothek. Das Hayes County in Nebraska ist nach dem 19. Präsidenten der USA benannt.

Häufige Fragen und Antworten

Wann wurde Rutherford B. Hayes geboren?

Am 4. Oktober 1822.

Wann war Rutherford B. Hayes Präsident der USA?

Zwischen dem 4. März 1877 und dem 4. März 1881.

Wann ist Rutherford B. Hayes gestorben?

Am 17. Januar 1893.

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