Grafton Ghost Town
Grafton Ghost Town – die überflutete Heimat der Mormonen
Die Geschichte zahlreicher Geisterstädte der Vereinigten Staaten hat unmittelbar etwas mit dem Run nach Gold oder Silber zu tun. Fast überall wurde in meist kargen oder unwirtlichen Gegenden Edelmetall gefunden, doch als dann die Minen nichts mehr hergaben, kehrten die Menschen ihrem Zuhause den Rücken und hinterließen Ghost Towns. Im Fall von Grafton Ghost Town trifft dies alles nicht zu. Vielmehr waren es Naturkatastrophen, die die Einwohner dieses kleinen Ortes verzweifeln und schließlich abreisen ließen.
Der Weg führt über eine einspurige Eisenbahnbrücke
Das, was von der einstigen Siedlung übrig geblieben ist, kann heute südlich des Zion Nationalparks besichtigt werden. Allerdings kommen nur wenige Touristen hierher, obwohl sie zunächst relativ leicht über den Highway 9 und in Reichweite der kleinen Stadt Rockville zu erreichen ist. Allerdings befindet sich die Geisterstadt jenseits des Virgin River, und um den zu überqueren, muss man die historische einspurige Eisenbahnbrücke aus dem Jahr 1924 überqueren. Danach folgt eine holprige und nicht befestigte Straße bis nach Grafton.
Brigham Young – der Prophet der Mormonen
Es war dort ein gewisser Brigham Young, der die Mormonen seiner Gemeinde ermunterte, die sogenannte Dixie-Region zu besiedeln, weil der dortige Boden geeignet sei, eine reiche Baumwollernte zu ermöglichen.
Young, von Beruf Schreiner, wurde zum zweiten Präsidenten in der Geschichte der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage gewählt, weil er sich in der Nachfolge des Mormonen-Gründers Joseph Smith als Prophet im Jahr 1844 behaupten konnte. Unter der Führung von Brigham Young kolonisierten die Mormonen unter anderem einige unfruchtbare Gebiete zu Füßen der Rocky Mountains.
Die Fluten zerstörten die Plantagen mit Nutzpflanzen
Fünf mormonische Familien ließen sich von Brigham Young überzeugen und ließen sich am Virgin River nieder. Doch die erste Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten, denn die erhofften Einnahmen aus der Produktion von Baumwolle blieben aus.
Statt dessen versuchten die neuen Siedler auf einem kargen Boden nun ihr Glück mit Nahrungspflanzen, doch als diese sich allmählich entwickelt hatten, wurden die Plantagen bei einer Hochwasser-Katastrophe im Jahr 1862 durch die Fluten des immerhin sieben Kilometer entfernten Virgin River zerstört.
Konflikte mit den Indianer-Stämmen der Fox und Sauk
Doch die Familien der Mormonen gaben nicht auf und wanderten eine Meile weiter flussaufwärts. Dort blieben sie allerdings nur für vier Jahre, denn es gab immer wieder Auseinandersetzungen mit den Indianern von den Stämmen der Fox und Sauk. Deren Häuptling war der Sohn des legendären Black Hawk.
Dieser hatte einst einem Vertrag widersprochen, der Landabtretungen regeln sollte und die Ureinwohner aufforderte, auf die gegenüberliegende Seite des Mississippi zu wechseln. Wegen der permanenten Konflikte mit den indianischen Stämmen forderte Mormonen-Führer Young seine Gemeinden auf, alle Siedlungen zu Städten mit mindestens 150 Einwohnern zusammen zu schließen.
Ein schweres Leben in einer unfruchtbaren Region
Von dieser Aufforderungen waren nun die wenigen Familien betroffen, die sich in Grafton niedergelassen hatten. Zwar wurde der kleine Ort nunmehr vorübergehend aufgegeben, doch einige Bauern kamen regelmäßig zurück, um nach ihren Anpflanzungen zu schauen und diese zu pflegen.
Zwar schrumpfte in dieser Gegend die Bevölkerung permanent, doch um ihren jungen Leuten die Chance zu geben, sich zu bilden, bauten die Mormonen sogar eine Schule in Grafton. Aber das Leben der Menschen in dieser eigentlich eher unfruchtbaren Region war alles andere als leicht. Die Einwohner bauten immer wieder Dämme und Gräben, um sich und ihre Ernten vor Hochwasser zu schützen.
Neue Blockhäuser, eine Kirche und ein Gemeindehaus
Im Jahr 1868 beschlossen dann die wegen der Indianer-Überfälle einige Zeit in Rockville evakuierten Familien, ihre ursprüngliche Siedlung dauerhaft zu bewohnen. Es entstanden neue Blockhäuser, eine Kirche, ein Postamt und ein Gemeindehaus.
Der Ertrag aus den Gärten, die nie größer waren als ein Hektar, reichte zwar kaum zum Leben, doch neben ihren religiösen Aktivitäten betätigten sich die Mormonen als Reiter, Schwimmer, veranstalteten Feste und verabredeten sich zum Picknick. Obwohl Grafton von einer weiteren Überflutung heimgesucht wurde, blieben die meisten und bauten ein nunmehr zweistöckiges Schulgebäude.
Frank und Ellen Russell verließen erst 1944 ihre Heimat
Im Laufe der Jahre reduzierte sich die Einwohnerzahl immer mehr. Bis 1920 hielten es dort noch drei Familien mit neun Schulkindern aus, aber es blieben nur noch Unentwegte. Zu denen gehörten Frank Russell und seine Frau Ellen, die im Jahr 1944 ihre zur Heimat gewordene Gegend verließen. Auch deshalb, weil es dort niemals Strom gab und die Qualität der sanitären Anlagen problematisch war.
Grafton wurde somit zur Geisterstadt, und nur einmal herrschte dort noch eine gewisse Betriebsamkeit. Im Jahr 1929 wurden in dieser Geisterstadt mehrere Filme gedreht. Unter anderem „Butch Cassidy and Sundance Kid“ mit Robert Redford und Paul Newman sowie „Old Arizona“.
Blockscheune, Getreidespeicher und ein Haus aus Ziegeln
Angeblich lebt er noch immer – der Geist der Mormonen im Dorf am Ende der Zivilisation. Erhalten geblieben sind nur noch vier Gebäude und der historische Friedhof. Darüber wacht ein Projekt namens Grafton Heritage Partnership. Die gemeinnützige Organisation kümmert sich seit Juni 1997 liebevoll um die Reste von Grafton als historische Stätte.
Zu besichtigen ist das alte Schulgebäude aus dem Jahr 1886 und das Haus des Alonzo Russell, der dort als Schmied arbeitete und dessen Sohn hier bis 1944 lebte. Mit einer Blockscheune und einem Getreidespeicher präsentiert sich das John Wood Home, das 1877 aus Ziegelsteinen errichtet wurde. Recht gut erhalten ist auch das Schulhaus mit seinem kleinen Glockenturm.
Grafton: Hier ist man allein mit sich und seinen Gedanken
Die Besichtigung der Geisterstadt jenseits des in alten Zeiten unberechenbaren Virgin River ist kostenlos. Wer in diese verlassene Gegend, abseits der großen Wege der Touristen, kommt, der wird vor allem durch ein großartiges Panorama zwischen den Bergen belohnt. Doch es gibt in Old Grafton keinerlei Service. Dort kann man keine Cola kaufen und keine Souvenirs erwerben.
Bisher bemüht man sich immer noch vergeblich um einen Hausmeister, der über das alte Dorf wachen soll. Und als Besucher ist man in dieser Ghost Town allein mit sich und seinen Gedanken. Womöglich kreisen sie zurück in jene Zeiten, in denen sich hier die Mormonen einst ein Zuhause schufen aber wohl niemals so richtig glücklich wurden.