Yukon River Flusstour
Eine Flusstour auf dem Yukon River von Whitehorse, British Columbia (Kanada) nach Dawson City, Alaska (USA)
Der Yukon entspringt im Küstengebirge im Norden von British Columbia/Kanada, fließt etwa 1150 km durch das Yukon Territory (Kanada) und mündet nach insgesamt 3185 km im nördlichen Alaska in die Bering See.
Kanutour auf dem Yukon River – Unser Erfahrungsbericht
Es war keine so gute Idee gewesen, dass wir alle Algernon Blackwoods „Wendigo“ gelesen hatten. Diese düstere Erzählung über den grauenvollen körperlosen Geist der kanadischen Wälder, der nach dem Glauben der Algoncian seine Opfer mit Vorliebe bei Dunkelheit und Kälte holt und sie mit unglaublicher Geschwindigkeit hoch in die Lüfte reißt, ist im Blackwood-Buch „Das leere Haus“ nach zu lesen. Entsprechend beklommen sahen wir der ersten Nacht am Yukon in der Einsamkeit unendlicher Wälder und fern jeder menschlichen Ansiedlung entgegen.
Auf dem Camping-Platz von Whitehorse waren in der Nacht zuvor nach und nach die 13 Mitglieder unserer Yukon-Expedition auf ganz unterschiedlichen Wegen eingetrudelt: Etliche waren mit der Fähre von Seattle nach Skagway gekommen und hatten die Nacht im Schlafsack auf dem Deck verbracht. Andere hatten einen Flug direkt nach Whitehorse genommen. Ich war über Vancouver mit dem Linienflug nach Juneau, der Hauptstadt von Alaska geflogen. Von dort ging es mit einem betagten, aber rüstigen Wasserflugzeug weiter („Hi, I´m your pilot“, sagte der Typ im Holzfällerhemd), im Tiefflug vorbei an grandiosen Gletschern, nach Skagway am Fuße des Chilkoot-Passes.
Zum Glück mussten wir nicht zu Fuß über den Chilkoot-Trail, wie noch zu Zeiten des Goldrauschs 1896. Damals ließen die Kanadier keinen über die Grenze, der nicht Ausrüstung und Proviant für einen Monat dabei hatte, und viele scheiterten schon beim Aufstieg im tiefen Schnee und wurden erbarmungslos aus der nicht endenden Schlange der Goldsucher gestoßen (siehe z.B. Jack London „Lockruf des Goldes“, Charlie Chaplin „Goldrausch“ ). Uns brachte die White Pass & Yukon Railroad nach Whitehorse, und während der geruhsamen, aber komfortablen Fahrt über den Pass genossen wir immer neue wundervolle Ausblicke auf die Bergwelt.
Schon von Deutschland aus hatten wir zwei 16 Fuß – ca. 5 m – lange, flachbödige Aluminium-Pontons mit Außenborder sowie ein Kanu gechartert. Unsere Ausrüstung hatten wir für den Fall der Fälle wasserdicht in Plastiktonnen und Aluminiumboxen nach Nordamerika geschafft. Verpflegung für die nächsten zehn Tage besorgten wir in Whitehorse; denn auf der 740 km langen Strecke bis Dawson City gibt es etwa auf halber Strecke in Carmacks nur noch eine Möglichkeit, den Proviant aufzufrischen. Nur: Was mitnehmen auf einer Flussfahrt ohne Kühlschrank? Brot wollten wir nach Trapper-Art am Lagerfeuer backen, Bier war ja klar, aber Obst und Gemüse würde nur wenige Tage frisch bleiben. Also kauften wir vor allem Zwiebeln (!) und Corned Beef. Dass wir die zwölf Dutzend Eier im Lagerraum des Bootsverleihers vergessen hatten, merkten wir erst, als wir bereits seit Stunden auf dem Fluss waren.
Erste – und fast die einzigen – nautischen Probleme tauchten auf dem Lake Laberge ca. 20 km nach Whitehorse auf: Es begann zu regnen, die Sicht wurde miserabel, und die Strömung des Yukon löste sich im See auf, und damit die Richtungsvorgabe. Kurz gesagt, wir hatten keine Ahnung, wo es weiter ging, und unsere beiden flachen Alukähne trieben eine Zeit lang orientierungslos herum, bis einer von uns anhand von Karte und Kompass den Ausgang fand. Apropos Wetter: Wirklich eisfrei ist der Yukon von Juni bis Mitte September, bis dahin ist mit gefährlichem Grundeis zu rechnen. Wetterwechsel sind buchstäblich an der Tagesordnung: Wenn im Juli oder August die Sonne scheint, wird es plötzlich sehr heiß, wenn es dagegen regnet, kann es sehr, sehr ungemütlich werden.
„Yukon“ heißt übrigens in der Sprache der Athabaskan-Indianer „Großer Fluss“, und mit seinen fast 3200 km Länge verdient er diesen Namen völlig zu Recht. Für das erste Camp fanden wir eine ausgedehnte Sandbank. Durch die noch ungewohnten Aufgaben, wie Ausladen, Zeltaufbau im Regen, Essenzubereitung (Zwiebelsalat, keine Eier!) waren alle so beschäftigt, dass uns der Wendigo zum Glück erst wieder einfiel als wir sicher im Schlafsack lagen!
Erstaunlich, wie schnell sich auch unter ungewohnten Bedingungen Routine einstellt. Schon am nächsten Tag hatten wir das Gefühl, schon seit Wochen auf dem Fluss unterwegs zu sein! Das Ausschau halten nach einem geeigneten Lagerplatz, sobald die – kurze – Dämmerung anstand, Zelt aufbauen, Feuer machen und Holz suchen, die Lebensmittel bärensicher verstauen, all dies ging uns schnell in Fleisch und Blut über. Dennoch kann man nicht sagen, dass ein Tag wie der andere war: Im Gegenteil, jede Biegung des Flusses brachte neue Perspektiven, jeder Lagerplatz war ein neues Highlight. Wie schön, wenn der Zeltaufbau einmal nicht notwendig war, wenn wir – wie in Fort Selkirk – in einer längst verlassenen Trapperhütte übernachten konnten. Im Erste-Hilfe-Kasten an der Wand standen noch Arzneimittel aus den Dreißiger Jahren!
Eines Morgens, das Flussufer lag im Nebel, kam eine aus unserer Gruppe von der Morgentoilette zurück und meinte, sie habe Ihren Mann gebückt am Flussufer stehen sehen. Aber der war im Lager, und auch sonst fehlte niemand! Später fanden wir an der beschriebenen Stelle an einem Baum die Haare eines Schwarzbären…
Oder die Sache mit dem Fischfang: Der Lachsfang ist allen, außer den am Fluss ansässigen Indianern streng verboten. Andere Fische dagegen dürfen geangelt werden, z.B. der Grayling, eine äschenart. Der 15-Jährige hatte bereits fünf Graylings gefangen und neben sich am Ufer aufgereiht, als er aus dem Augenwinkel sah, wie einer davon verschwand. Ein Otter hatte ihn geklaut und verschwand in Windeseile mit seiner Beute! Apropos Indianer: Die kleinen Dörfer erkennt man im Gehölz erst an der leuchtend roten Farbe, die den auf Gestellen trocknenden Lachs verraten. Von den Bewohnern bekommt man so gut wie keinen zu Gesicht.
Die „Five-Finger-Rapids“ waren in Reisebeschreibungen als gefährliche, nur mit viel Geschick zu bewältigende Stromschnelle beschrieben worden. Der Name stammt von fünf Felsen, die quer über das Flussbett verteilt die Strömung schneiden. Allerdings stellten sie sich – zum Glück – doch als recht harmlos heraus, seit der Flusslauf durch einen Staudamm reguliert wird.
Es war irgendwie eine Enttäuschung, als nach zwölf Tagen auf dem Fluss hinter einer Biegung die ersten Häuser von Dawson City auftauchten, und damit so etwas wie Zivilisation nach uns griff. Eine Zivilisation allerdings, die noch sehr nach Wildem Westen aussah mit ihren falschen Hausfassaden und verwitterten Goldgräberhütten. Doch das ist eine andere Geschichte…
Karte unserer Kanutour auf dem Yukon River
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